Herzklopfen Presse

Herzklopfen Dokumentarvideo 2002

Neue OZ, 26.07.2003
Vorab gesehen: Themenabend: Von Herzen – Arte, 20.45 Uhr
Können Herzen eigentlich denken?
Von Frank Jürgens

In sämtlichen Kulturen unseres Planeten gilt das Herz nicht nur als jenes starke, imponierende Organ, als Hohlmuskel mit der ausdauernden Funktion, Blut durch unseren Körper zu saugen und zu pumpen. Es gilt auch als Synonym für alle erdenklichen Gefühlslagen. Es wird mythologisiert, gar heilig gesprochen. Der unglücklich Verliebte trägt ein gebrochenes Herz in seiner Brust. Dem Ängstlichen rutscht das Herz in die Hose. Und wer nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen denkt, gilt als – natürlich – warmherziger Mensch. Die alten Ägypter haben ihren sogar Toten das Gehirn entfernt, aber das Herz konserviert. Als Symbol der Seele besitzt es Ewigkeitscharakter.

,,Von Herzen“ handelt denn auch der Arte-Themenabend am Sonntag. Es geht nicht nur um gespendete und gerettete Herzen, sondern auch um all die mythischen Rätsel hinter dem Organ, das zwar scheinbar tumb, aber hoffentlich doch zuverlässig in unserer Brust schlägt.

Zum Auftakt läuft der subtile Psychothriller ,,Heart – Jeder kann sein Herz verlieren“. Ein Mann lernt die Mutter jenes Organspenders kennen, dessen Herz sein Leben gerettet hat. Eine obsessive Beziehung zwischen den beiden beginnt bald aus dem Ruder zu laufen. Der verstörende Film erinnert in seiner beängstigend atmosphärischen Dichte an die britische Serie ,,Cracker – Für alle Fälle Fitz“, für die das Drehbuch von ,,Fitz“-Autor Jimmy McGovern auch ursprünglich konzipiert wurde.

Andrea Kalin porträtiert in der folgenden Dokumentation ,,Partner im Herzen“ das Leben zweier Männer, die die Herzchirurgie im Jahre 1944 revolutioniert haben. Am John Hopkins Hospital im US-amerikanischen Baltimore gelang es zwei Ärzten erstmals, einem ,,Blue Baby“ durch einen operativen Eingriff das Leben zu retten. Einer der beiden war Alfred Blalock, ein angesehener Chrirurg. Der andere, Vivien Thomas, war Afro-Amerikaner und arbeitete zunächst als Hausmeister in der Klinik.

Auch wenn Blalock Thomas als gleichwertigen Partner betrachtete, erntete Thomas in der Öffentlichkeit nichts als Vorurteile und Rassismus. Erst lange nach offizieller Aufhebung der Rassenschranken in den USA erhielt er erste Anerkennungen für seine bahnbrechende Arbeit mit seinem Partner und Freund Blalock.

Zum Abschluss dokumentiert Martin Zawadzki zwei Menschen, die auf der Herzempfängerliste des Klinikums Bad Oeynhausen stehen. Ihre Zukunft ist ungewiss, jeden Moment kann ein passendes Spenderorgan eintreffen. Der Rest ist Warten. Wie gehen die Betroffenen, ihre Familien, die Angehörigen und Freunde mit dem bangen Warten um? Was für Fragen stellt man sich? Ist dies nicht auch ein Warten auf den Tod eines anderen Menschen? Zawadzki fängt ungemein intensive Momente voller Wahrhaftigkeit ein. Ohne jeden störenden Off-Kommentar kommen die Betroffenen zu Wort. Auch Angehörige einer Toten, die ihre Organe zum Spenden freigegeben hat, sowie Ärzte finden in dieser Dokumentation Gehör. Dabei wird auch der hawaiianische Kardiologe Dr. Paul Pearsall mit seiner These vorgestellt, dass das Herz tatsächlich denken und fühlen könne.